Wunschlosigkeit ist Indifferenz
Erde und Geist – Newsletter Mai 2012, auch als PDF hier lesen.
Liebe Freunde, liebe Interessenten!
Immer wieder wird in spirituellen Traditionen von Wunschlosigkeit als Notwendigkeit für die Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten oder als Bedingung für die Erlösung bzw. Erleuchtung gesprochen. Was aber ist Wunschlosigkeit eigentlich?
Aus der Sicht der Ebene der Nicht-Dualität oder Einheit (Advaita-Vedanta), entstehen Wünsche aus Unwissen über das eigene Selbst.
Dadurch, dass wir glauben, wir wären ein individuelles, abgetrenntes Bewusstsein (bzw. ein Fragment im Gesamtbild) entsteht eine Zweiheit: Mich und der Rest des Universums bzw. mich und der Rest des Seins.
Da wir aber in Wirklichkeit stets Eins mit dem Selbst sind, ist es immer nur ein gefühlter Mangel sich als ein Fragment wahrzunehmen, eine Fehlsicht.
Die Vor-Stellung ein abgetrenntes Fragment zu sein, hat keine Wirklichkeit zu keiner Zeit, es ist nur eine verzerrte Wahrnehmung von dem was immer ist.
Die Trennung ist ein Modus des Verstandes, ist der Verstand, der immer nur in Polaritäten denken und wahrnehmen kann. Heiß und Kalt, Licht und Dunkel, Jung und Alt. Der Verstand ist es, der uns das Bild der äußeren materiellen Welt erzeugt (wir sehen Dinge „aus dem Außen“ über die Augen, die Teil des Gehirns sind). Sinnlich wahrnehmen ist identifiziert sein mit dem Verstand.
Durch den vorgestellten Mangel entsteht der Wunsch nach Vollkommenheit bzw. Ganz-heit.
Durch den vorgestellten Mangel entsteht der Wunsch Objekte und Menschen zu besitzen, Dinge die ich als außerhalb von mir selbst wahrnehme.
Nun sind wir aber auf der Ebene der formlosen Wirklichkeit bereits ganz und alles.
Wir sind zu keiner Zeit geteilt, wir sind zu keiner Zeit getrennt.
Wir können nichts besitzen, weil wir alles sind.
Das Universum gibt es nur in unserer Vor-Stellung. In Wirklichkeit ist da nichts, nur formloses glückseliges Bewusstsein. Alle „gesehenen“ Bilder der Welt und alle Möglichkeiten sind in diesem Bewusstsein enthalten, sind nicht abgetrennt.
Die Handlung der Welt gleicht einem Film und wir denken, dass wir die Personen in der Handlung sind. In Wirklichkeit sind wir die Leinwand und projizieren aus uns heraus den Film des Kosmos auf uns selbst.
Die Leinwand ist immer unberührt, auch wenn auf ihr ein Katastrophenfilm läuft. Auch wenn Häuser abbrennen und Menschen sterben, ist die Kinoleinwand stets unverändert und unbeschmutzt.
Der Kinoleinwand ist es egal, ob die in ihr enthaltenen Filmpersonen gerade einen Besitz gewinnen oder verlieren. Sie ist indifferent zu den Geschehnissen der Handlung.
Erleuchtung ist das Verschieben des Bewusstseins von der Filmperson hin zur Leinwand.
Erleuchtung ist das Aufwachen aus dem Traum, eine vorgestellte Person in einer vorgestellten Handlung zu sein.
Erleuchtung ist das Einssein mit Gott, der Quelle, dem Inhalt und dem gleichzeitigen Hintergrund des Kosmos und aller Möglichkeiten.
In Demut zum Selbst,
Damodar Bernhard Goller