Erleuchtung als Selbstoffenbarung Gottes – (Autor: Thomas Gryc)
in welcher Weise lässt sich Erleuchtung in Beziehung setzen zum Gottesverständnis des modernen Menschen ? Wie lässt sie sich in Bezug setzen zu seinem Leben ? Wie lässt sie sich deuten im Licht der Fundamentaltheologie ?
Um diese Fragen zu klären, muss ein Stück weit ausgeholt werden. Es muss zunächst geklärt werden, wie sich die Anwesenheit Gottes im Leben des Menschen und in der Welt interpretieren lässt. Hierzu ist es sinnvoll einen historischen Ansatz zu wählen um die gegenwärtige Situation aus ihrer Entwicklung heraus zu begreifen. Es geht hier nicht um eine vollständige Darstellung, sondern darum, einige Entwicklungsschritte klar zumachen.
Alles fing vor langer Zeit an, als sich der Mensch von göttlichen Kräften umgeben wusste, die die ganze Welt erfüllten. Götter wandelten unter den Menschen und offenbarten sich in Tieren und heiligen Bäumen. Dieses mythisch-heidnischen Verständnis war in den Köpfen der Menschen bis ins Mittelalter hinein vorhanden. Gott erschien oder offenbarte sich den Menschen in den Sternen, im säuseln des Windes… Dieses Weltbild kann man auch das Epiphanische (Epiphaneia = die Erscheinung) bezeichnen.
Das Bilde änderte sich mit der Rationalisierung der Glaubenswelt, die hier bereits mit Thomas von Aquin Einzug hält, spätestens aber mit der Aufklärung einen radikalen Wandel erfährt.
Aufklärung wird von Immanuel Kant als Vernunftautonomie des Menschen verstanden. Sie führt zu einem Selbstbefreiungsprozess des Menschen. Der Glaube und die Gesellschaft wird werden auf ihre Vernünftigkeit und Legitimität hin überprüft. Sie führt auch zu einer Verwissenschaftlichung der Natur, Naturprozesse werden als kausales System das verstehbar und nutzbar ist begriffen.
Natürlich veränderte sich damit auch die Beziehung zum Göttlichen.Es folgte eine längeren Phase der Unsicherheit, die die Aufklärung für den Glauben mit sich brachte. Es wurden neue Begriffe eingeführt um die Sphäre des Glaubens, der Einflusssphäre der Vernunft zu entziehen. So wurde zum Beispiel die Wirklichkeit in ein natürliche- der Vernunft zugängliche und eine übernatürliche- der Vernunft nicht zugängliche geteilt. Hier konnte Gott das Übernatürliche Wesen, sich den Menschen in Wundern offenbaren. In der Konsequenz fielen Glaube und Vernunft auseinander.
Vor gut 80 Jahren begann hier ein Paradigmenwechsel.
In diesem Zusammenhang sollten kurz einige Namen genannt werden. Bei Karl Rahner stellt die geistige Natur des Menschen, die über das Endliche hinausgreift für jeden Transzendenzerfahrungen bereit. Er kann aber in zweierlei Weise mit Diesen umgehen: Er kann sie ins Leere laufen lassen (Unglaube) oder in den Glauben münden lassen. Der Akt des Glaubens bekommt einen konkreten Niederschlag, realisiert sich gewissermaßen in Raum, Zeit und Geschichte. Diese Sichtweise wird als anthropozentrische Wende verstanden. Rahner geht von einem uneingeschränkten universalen Heilswillen Gottes aus, der jeden Menschen, ob er sich dessen explizit bewusst ist oder nicht, zu einem Begnadeten (Erleuchteten?!) macht: Weil er immer schon in die Übernatur erhoben ist („übernatürliches Existential“), hat er auch im allen Menschen eingegossenen Glauben schon die ganze Offenbarung (Gottes) erhalten. Da die transzendentale Offenbarung allen Menschen gegeben ist, ist die gesamte Menschheitsgeschichte schon immer Transzedenzgeschichte.
Doch zieht Rahners Sichtweise eine existentielle Hürde für den Glauben nach sich: Wo alles Gnade ist, ist nichts mehr Gnade. Wenn alle begnadet sind, ist eigentlich keiner mehr begnadet. Wer die ganze Welt für heilig erklärt, profanisiert letztlich alles.
Bei John Hick ist Offenbarung immer ein Relationsbegriff. Er hat zwei Seiten. Einmal liegt die Initiative immer bei Gott, andererseits unterliegt der Empfang der Selbsterschließung durch den Menschen. Allerdings ist jede menschliche Erfahrung immer schon interpretierende Wahrnehmung. Sie ist spontan und erfolgt auf dem Hintergrund der jeweiligen Zeit und Kultur. Sie erfolgt mit Begriffen, welche jedoch immer schon eine praktische Bedeutung für ihn haben. Die Bedeutung eines Ereignisses (z.B. Erleuchtung) oder einer Situation besteht in dem praktischen Unterschied, welcher sich daraus für denjenigen ergibt. Auch die Erwartung schlägt sich in dieser Wahrnehmung nieder. Gott ist jedoch unendlich und unbegrenzt. Er kann daher vom menschlichen Geist nicht definiert oder umgriffen werden. Gott bleibt deshalb auch in der Selbstmitteilung (z.B. Erleuchtung), die alles Begreifen übersteigende Wirklichkeit.
Doch wie verlässlich sind menschliche Sinneserfahrungen überhaupt? Was macht uns sicher, dass die Sinne ein verlässliches Bild der Umwelt vermitteln? Hick antwortet, dass man die Sinneserfahrungen nicht von außen nachprüfen kann. Man kann die Welt immer nur durch das Medium des Bewusstseins wahrnehmen. Das vernünftige Denken sagt uns, dass wir uns auf die Richtigkeit der Wahrnehmung verlassen müssen: „epistemischer Vertrauensvorschuss“ . Das gleiche Prinzip wendet er für religiöse Erfahungen an. Solange nichts dagegen spricht, ist es ein Prinzip vernünftigen Denkens, religiöse Erfahrungen für ebenso verlässlich zu halten wie empirische Sinneserfahrungen.
Hans Urs von Balthasar stellt genau diese Sinneserfahrungen und das Wahrnehmen in den Mittelpunkt. Für Ihn geschieht Offenbarung Gottes parallel zur Wahrnehmung in der Kunst. Offenbarung passiert also als religiöser Wahrnehmungsakt. Analog zur ästhetischen Wahrnehmung. Ästhetische Schönheit ist nicht beweisbar und nicht beschreibbar. Sie ist unabhängig von der Erwartung. Die ästhetische Wahrnehmung ist immer ein einziger Akt, denn die Schönheit zeigt sich dem Wahrnehmenden mit einer plausiblen Überzeugungskraft oder eben nicht. Mann kann sie nicht erzwingen. Die überwältigende Evidenz die im Erfahren des religiösen Glaubensaktes aufspringt wird erfahren -oder eben nicht. Wenn einem die Offenbarung aufgeht, bedarf es keiner Erklärung, denn sie ist von sich aus plausibel. Offenbarung ist wahrnehmendes (ästhetisches) Aufgehen der Herrlichkeit Gottes.
Diese und weitere Köpfe vollziehen den Einzug der Moderne in den Glauben.
Nun wird die Anwesenheit Gottes in der Welt, also seine Offenbarung, Kommunikationstheoretisch verstanden. Der Mensch wird als transzendentes Wesen, also ein ganzheitlich auf Gott Hingeordnetes, interpretiert. Der Glaube betrifft die menschliche Wesensmitte, wird somit zum Existenzvollzug des Menschen, der durch die personale Selbstmitteilung Gottes in der Kommunikation mit ihm geschieht. Offenbarung als Gott-menschliche Interaktion hat letztlich das Heil des Menschen als Ziel. Glaube geschieht als Reaktion auf göttliche Selbsterschliesung. Diese Selbst-Offenbarung Gottes wird allen Menschen zuteil, unterliegt jedoch der von der Aufklärung geforderten Glaubensverantwortung des Einzelnen. Das Leben kann in Folge auf Gott hin ausgerichtet werden, muss es aber nicht. Sie bleibt jedoch Teil des gnadenhaften Handeln Gottes am Menschen zum Zwecke seines Heils.
Erleuchtung können wir nun also in den Kontext der Gott-menschlichen Kommunikation einordnen. Hier passiert sie in einem sehr hohen Maß an Gnade, das Geschehen verlässt jedoch nie den Kontext der Gott-menschlichen Kommunikation. Dieser Mensch ist dank seiner Transzendenten Struktur zu einer Antwort fähig. In welcher Weise diese Erfolgt -oder unterbleibt unterliegt der Glaubensverantwortung des Einzelnen. Es ist aber das Verweilen in dieser Kommunikation, in der Beziehung mit Gott, welches zum Existenzvollzug des Menschen gehört. Die Glaubenserfahrung geschieht immer in einer von persönlichen Bedeutungen und Zielen sowie kulturellen Gegebenheiten geprägten Weise. Erst dann wird sie zum Zeichen im zeitgeschichtlichen Kontext richtet sich an ihre Umwelt. Als Zeichen wird sie zu einer individuellen Glaubensaussage des Erleuchteten. Als solches nimmt sie in spezifischer Weise Einfluss auf das Gott-menschliche Kommunikationsgeschehen ihrem Umfeld. In menschliche Begriffe und Verhaltensweisen gebracht bleibt das Zeichen jedoch stets hinter der eigentlichen Selbstmitteilung Gottes zurück. Gott selbst bleibt immer ein heiliges Geheimnis.
Thomas Gryc, Juli 2011